Studiobühne der Theaterwissenschaft
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Der Verschollene

von Franz Kafka

20. – 22. Juli 2010

verscholl

„Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht.“

Karl Rossmann ist Kafkas „Verschollener“ und mit seiner Ankunft im Hafen von New York, ist er noch lange nicht in einer neuen Heimat angekommen. Von seinen Eltern aus der „Alten Welt“ verstoßen, bleibt Karl auch im Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten ein Ausgestoßener. Der modernen Gesellschaft steht er trotz aller Integrationsversuche als Fremdkörper gegenüber. Unzugänglich und abweisend verwehrt sie den Zugang zu einer potenziellen zweiten Heimat. Seine Suche nach Zugehörigkeit spielt sich ab in einem „Dazwischen“; sein genauer Aufenthaltsort bleibt unklar, Realität und Perspektiven, Träume und Vorstellungen verschwimmen. Er ist verloren in der Fremde, verlassen vom Glück, vergessen von seinen Angehörigen, verschwunden in einem Grenzbereich zwischen Leben und Tod - verschollen.

Aber wo wäre Karl zu Hause? Er wäre zu Hause an einem Ort, an dem es gerecht zuginge -aber diese eine Forderung bleibt ihm verwehrt, ja, seine Existenz scheitert nahezu überall an diesem Anspruch. Unaufhaltsam erfolgt so sein Scheitern in und an der modernen Welt, die er nicht begreifen kann, da sie nicht mehr zu begreifen ist.

„Amerika: das ist hier trotz vieler mit überzeugender Sorgfalt verzeichneter Einzelzüge die Fremde schlechthin. Sie ist überall zu finden, unsere ganze bekannte und gewohnte Welt ist eine einzige Fremde.“ (Siegfried Kracauer)

kafka3

Mit: Babette Büchele, Lukas Darnstädt, Stefan Herfurth, Steffen Hofmann
Regie: Pia Richter
Dramaturgie: Laura Guhl
Kostüme: Anna Schweiger