Studiobühne der Theaterwissenschaft
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Die Ermittlung

nach Peter Weiss

04.12.2015 um 20:00 Uhr – 06.12.2015 um 22:00 Uhr

Fotos © Franz Kimmel

Pathos Atheliers
Dachauerstraße 112
80636 München

Eintritt: 7 €/ 5 € (erm.)
Reservierungsadresse: die.ermittlung@outlook.de

Es spielen: Manuel Feneberg, Andreas Gießer, Felix Phönix Lehmann, Magdalena Jinx Müller,
Johannes Rebers, Laura Cuenca Serrano, Eugenia Winckler, Daria Zecha
Regie Hannah Bader
Bühne / Kostüm Stephanie Zurstegge
Licht / Technik Wolf Markgraf
Regieassistenz Luzie Göttl
Mitarbeit Jurij Diez
Plakatdesign Christof Wessling

Heute hat sich Auschwitz eingebrannt als Inbegriff des Grauens.
Davor liegen Jahre des Schweigens. Sie reichen bis in die 1960er Jahre, die scheinbar unbeschwerte
Ära des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders, gelebt durch Petticoat, Dauerwelle und
Schlagermusik. Man arbeitet, feiert, konsumiert und genießt den neu gewonnenen Wohlstand, als
gäbe es kein Gestern. Kanzler Adenauer propagiert eine „Schlussstrich“- Mentalität. Nichts will
man mehr wissen vom Krieg, nichts von Aufarbeitung wie wir sie heute kennen.
Nichts von Auschwitz.
Fast 19 Jahre nach der Befreiung des Lagers, beginnt entgegen großen Widerständen 1963 der erste
Auschwitz-Prozess in Frankfurt. 183 Verhandlungstage lang würde er dauern, es werden 357
Zeugen vernommen. Nur 22 Männer werden am Ende angeklagt, von 6500 Stationierten der SS in
Auschwitz. Doch danach kann niemand mehr sagen, er wisse nicht, was Auschwitz ist.
Die Ermittlung ist eine dokumentarische Verarbeitung von Originalaussagen aus diesem ersten
Prozess, dem größten und wohl wichtigsten Prozess der bundesdeutschen Geschichte, der das
deutsche Bewusstsein bis heute verändert hat. Die Aussagen der Zeugen beschreiben den Weg der
Häftlinge von ihrem Eintritt in das Lager Auschwitz an der Selektionsrampe bis zum Tod in den
Gaskammern.

„Was im einzelnen im Lager ablief, das wusste ich nicht. Ich habe die ersten Aufnahmen im
Kriegsgefangenenlager der Russen gesehen und da hab ich das schlicht für Propaganda gehalten.
Weil ich nicht glauben wollte, dass das so gelaufen ist sein soll. Als ich dann die Akten las, wurde
mir sehr schnell klar, was das ganze bedeutete,“
(Gerhard Wiese, Staatsanwalt im Auschwitz-Prozess 1963-1965)

Als Eva Fahidi Nebenklägerin in dem Prozess gegen den SS-Mann Oskar Gröning im April 2015
vor Gericht steht, sagt sie: „Es geht nicht um die Strafe für einen alten Mann, es geht um das Urteil,
die Stellungnahme der Gesellschaft.“
Was passiert mit den Menschen, wenn diese Stellungnahme jahrelang verweigert wird? Wenn durch
das Schweigen Täter nicht nur geduldet, sondern geachtet werden?
Wenn alle wissen was passiert – und die meisten nichts tun.
Wir das Schicksal der Menschen, die als Konsequenz unseres Lebensstils unter unwürdigen
Bedingungen arbeiten, wissentlich ignorieren.
Ist unser Auschwitz ein kenterndes Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer?

Zitate aus der Ermittlung:

„Ich bitte nur
darauf hinweisen zu dürfen
wie dicht der Weg von Zuschauern gesäumt war
als man uns aus unseren Wohnungen vertrieb
und in die Viehwagen lud
Die Angeklagten in diesem Prozess
stehen als Handlanger
ganz am Ende
Andere sind über ihnen
die vor diesem Gericht nie
zur Rechenschaft gezogen wurden
Einige sind uns hier begegnet
als Zeugen
Diese leben unbescholten
Sie bekleiden hohe Ämter
sie vermehren ihren Besitz
und wirken fort in jenen Werken
in denen die Häftlinge von damals
verbraucht wurden“

„Die Machtfülle eines jeden im Lagerpersonal
war unbegrenzt
Es stand jedem frei zu töten
oder zu begnadigen“